FIfF Jahrestagung 2010

transparenz.arbeit.kontrolle

Die Worte Transparenz, Arbeit und Kontrolle getrennt durch kleine gelbe quadrate auf pink-türkisen unscharfen grund.

Motiv der Jahrestagung von FIfF und DVD

  • 05.11.2010 bis 07.11.2010
  • Alte Feuerwache und Kölner Filmhaus
  •  Köln

Die diesjährige FIfF-Jahrestagung findet in Kooperation mit der Deutschen Vereinigung für Datenschutz (DVD) statt. Das Thema Beschäftigtendatenschutz ist aktueller denn je; die jüngsten Vorfälle in prominenten Unternehmen zeigen, wie wichtig (immer noch) eine Sensibilisierung ist.

Die Datenschutzdiskussionen der letzten zwei Jahre haben gezeigt, dass es nicht nur den Datenhunger staatlicher Stellen zu begrenzen gilt. Auch die Begehrlichkeiten der Privatwirtschaft haben ein teilweise erschreckendes Ausmaß angenommen. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten scheinen sich viele Unternehmen der Loyalität ihrer Beschäftigten durch besonders intensive Kontrolle versichern zu wollen. Dabei werden zunehmend Schamgrenzen überschritten – oft ohne jegliches Unrechtsbewusstsein. Automatisierte Kontrolle der Arbeitsleistung findet nicht nur durch eigens zu diesem Zweck gesammelte Daten statt. Bei Bedarf werden auch „Nebenprodukte“ wie Systemprotokolle und private E-Mails zweckentfremdet zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle genutzt. Datenschutz wird in solcher Atmosphäre oft nur noch als lästige Behinderung empfunden. Wer es als normal ansieht, Krankenakten über seine Beschäftigten anzulegen, Umkleideräume mit Videokameras zu überwachen oder systematisch und in großem Stil E-Mails zu durchsuchen, hat ganz offensichtlich ein Problem mit seinem Grundrechtsverständnis. Dass derartige Ignoranz leider nicht nur seltene Einzelfälle betrifft, zeigen die Nominierungen für die BigBrotherAwards, die seit einigen Jahren immer dreistere Formen der Ausforschung durch Arbeitgeber offenbaren.

In Vorträgen, Workshops und Diskussionsrunden wollen wir anhand von  Beispielen und Strategien zeigen, dass ein verantwortungsvoller Umgang mit sensiblen Daten notwendig ist.

Poster der Tagung (webp)

Programmflyer öffnen (pdf)

Programm

Freitag, 5. November 2010

Öffnung des Tagungsbüros ab 16:00

18:00

Begrüßung Karin Schuler (DVD), Stefan Hügel (FIfF)

18:30

**Aktuelle Fragen um ein Beschäftigtendatenschutzgesetz Prof. Dr. Marie-Theres Tinnefeld (Hochschule München)

Die Entwicklung des Rechts lebt von konkreten Anstößen. In der Arena des Beschäftigtendatenschutzes sind es handfeste Datenskandale, die den Gesetzgeber nach vielen vergeblichen Ansätzen endlich veranlasst haben, einen Regierungsentwurf für das „Gesetz zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes“ einzubringen, der am 25. August 2010 vom Bundeskabinett angenommen wurde. Die geplante Regelung soll in das BDSG integriert werden. Ob der Gesetzgeber aus den Skandalen gelernt hat, soll insbesondere im Spiegel des Persönlichkeitsrechts Beschäftigter gezeigt werden:

  • Verdachtslose Massendatenabgleiche oder verlässliche Regelungen zur Korruptionsbekämpfung ?
  • Heimliche Videoüberwachung rundum oder offene Videoüberwachung mit Respekt vor privaten Lebensbereichen?
  • Telefonrazzien oder angemessene Kontrollen der Verkehrs- und Inhaltsdaten bei einer betrieblichen/privaten TK-Nutzung?
  • Fristlose Kündigung verantwortungsbewusster Whistleblower oder ein Beschwerderecht, dass Beschäftigte bei der Meldung von datenschutzrechtlichen Missständen bei Datenschutzinstanzen bzw. der Presse schützt?.

Anhand dieser und weiterer Fragen soll dargelegt werden, ob von den geplanten Spezialnomen künftig mehr Rechtssicherheit im Umgang mit den Beschäftigtendaten zu erwarten ist.

19:15

Auswirkungen von Überwachung: zur Psychlogie des „Sich-Verantworten-Müssens“ Prof. Dr. Marc Solga (Ruhr-Universität Bochum)

Vorgestellt werden die Ergebnisse eines wirtschaftspsychologischen Forschungsprogramms, das nach den Auswirkungen von erlebter Rechenschaftsverpflichtung auf das Erleben und Verhalten von Menschen im Arbeitsleben fragt. Erlebte Rechenschaftsverpflichtung ist das Bewusstsein, (a) kontrolliert und beurteilt zu werden, (b) Rechenschaft geben – d.h. sich erklären und rechtfertigen – zu müssen und (c) für Verstöße gegen Regeln, Standards und Leistunsgerwartungen bestraft werden zu können. Im Arbeitsleben ist erlebte Rechenschaftsverpflichtung von großer Bedeutung: Ohne sie wären Gruppen, Organisationen und Gesellschaften nicht in der Lage, Ordnung herzustellen und Kooperationsprozesse zu organisieren. Obwohl das Sich-Verantworten-Müssen für alle Prozesse des Zusammenlebens von größter Bedeutung ist, wissen wir insgesamt (noch) sehr wenig über die Psychologie der Rechenschaftsverpflichtung. Der Vortrag erklärt, wie genau Rechenschaftsverpflichtung psychologisch wirkt und welche Folgen sie für das Wohlbefinden sowie unterschiedlichste Aspekte des Arbeitsverhaltens hat. Beantwortet wird schließlich auch die Frage, ob forcierte Rechenschaftsverpflichtung – eingesetzt im Sinne eines Kontrollinstruments – geeignet ist, kontraproduktives Verhalten zu unterdrücken (Dienst nach Vorschrift, Mobbing, Korruption etc.).

Samstag, 6. November 2010

09:30

Lidl, Bahn und andere Datenmissbrauchsskandale Malte Arnsperger (Autor; u.a. für Stern, stern.de)

Den Discounter Lidl kennt fast jeder in Deutschland. Aber niemand ahnte bis Frühjahr 2008, mit welchen Methoden Lidl seine Mitarbeiter systematisch bespitzelt und beobachtet. Der stern deckte die Machenschaften auf. Der Vortrag erklärt unter anderem die Recherchemethoden der Journalisten und wie der Discounter darauf reagierte. Weiterhin wird erläutert, welche Gründe es für Lidl gegeben hat, auf diese Art und Weise zu handeln, welche Rechte Lidl gebrochen hat und welche Gesetze Arbeitgeber beim Arbeitnehmerdatenschutz beachten müssen.

11:00

Arbeitsgruppen I

12:45

Mittagessen

14:15

Arbeitsgruppen II

16:30

Fishbowl — Beschäftigtenüberwachung

18:00

Verleihung des FIfF-Studienpreises 2010

20:00

Plug & Pray Filmpremiere im Kölner Filmhaus mit anschließender Publikumsdiskussion

Sonntag, 7. November 2010

09:00—11:00

Mitgliederversammlung des FIfF

Mitgliederversammlung der DVD

Workshops

Arbeitsgruppe BewerberInnen-Datenschutz

Sören Jungjohann

Wer sich bei einem Unternehmen um einen Arbeitsplatz bewirbt, gibt meist schon vor dem ersten persönlichen Kontakt detaillierte Informationen über sich preis. Im Vorstellungsgespräch wird der Bewerber dann intensiv zu fachlichen Dingen und persönlichen Angelegenheiten befragt. Auf der nächsten Stufe können Persönlichkeitstests und Gesundheitsuntersuchungen folgen. Zum Vertragsschluss kommt es erst, wenn der Arbeitgeber überzeugt ist, dass der Bewerber fachlich, gesundheitlich und persönlich auf die ausgeschriebene Stelle passt. Dabei ist die gesamte Phase vor Abschluss des Arbeitsvertrags von einem deutlichen Ungleichgewicht zwischen Bewerber und Arbeitgeber gekennzeichnet. Das geplante Gesetz zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes will dieses Ungleichgewicht korrigieren. In der Arbeitsgruppe soll diskutiert werden, welche Verbesserungen die Neuregelungen für den Bewerberdatenschutz mit sich bringen.

Arbeitsgruppe Forensik

Karin Schuler und Sönke Hilbrans

Forensische Analysen sind in Mode gekommen. Hat ein Unternehmen heutzutage den Verdacht, dass Informationen von bestimmten Arbeitsplätzen aus abwandern oder unerwünschte Dateien auf den dienstlichen Systemen verwaltet wurden, wird nach Wegen zur Beweissicherung gesucht. Immer mehr Unternehmen aus dem Sicherheitsbereich bieten daher als Dienstleistung die gerichtsfeste Sicherung und anschließende Analyse von Datenträgern an. Dabei wird versucht, Spuren zu finden, die eine schlüssige Beurteilung zulassen, ob von einem Rechner oder einem Benutzerkonto aus bestimmte (unerwünschte) Vorgänge gesteuert wurden. Leider wird häufig nicht oder nicht ausreichend bedacht, welche datenschutzrechtlichen Anforderungen vor und bei Durchführung einer solchen forensischen Analyse erfüllt werden müssen. In der Arbeitsgruppe sollen grundlegende Datenschutz-Anforderungen und deren Praxistauglichkeit bei forensischen Analysen erörtert werden.

Arbeitsgruppe Korruptionsbekämpfung

Roland Schäfer und Sylvia Schenk

Behindert der Datenschutz die Korruptionsbekämpfung? Rechtfertigt Korruptionsbekämpfung Übergriffe in den Datenschutz? Wo genau kommen sich diese beiden Schutzziele so in die Quere, dass eine Konfliktlage überhaupt entsteht? Diese und weitere Fragen stehen in dieser Arbeitsgruppe zur Diskussion.

Roland Schäfer ist DVD-Vorstand, Sylvia Schenk ist Vorsitzende von Transparency International Deutschland e.V.

Arbeitsgruppe Privacy Tools und Selbstdatenschutz

Sylvia Johnigk, Kai Nothdurft, Barbara Wiesner

Wer den Datenschutz selbst in die Hand nehmen möchte, kann mit technischen Mittel sein Recht auf Privatsphäre, Anonymität und Vertraulichkeit durchsetzen. Die Verschlüsselungstools GnuPG und TrueCrypt sowie die Anonymisierungstools Tor und JonDonym, die vorgestellt werden sollen, dienen dem Datenschutz und nutzen Verschlüsselung mit unterschiedlichen Zielrichtungen. Behandelt werden die Anwendungsgebiete und Funktionsweisen, aber auch Fallstricke bei der Nutzung und Restrisiken trotz richtiger Anwendung. Wenn man nicht aufpasst, kann der schöne Schutz wieder ausgehebelt werden. Zu laxe Browsereinstellungen und Spyware, die einem im Internetcafe, von Mitbewohnern oder Arbeitgebern untergeschoben werden, sind neben falscher Benutzung die gefährlichsten Stolpersteine.

Arbeitsgruppe Kommunikationsüberwachung im Beschäftigungsverhältnis

Britta Mester

Die Ermächtigung des Arbeitgebers zur Kommunikationsüberwachung der Beschäftigten wird schon lange heftig diskutiert. Mit Einführung des § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG wurde zumindest auf den ersten Blick explizit eine Rechtsgrundlage zur Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Beschäftigtendaten zur Aufdeckung von Straftaten mit aufgenommen. Allerdings wurde die Zulässigkeit diversen Einschränkungen unterworfen, deren Umsetzung nicht nur in der Praxis eine Reihe von Fragen aufwirft. Zudem fehlt es weiterhin an Definitionen der Begrifflichkeiten: "Erforderlichkeit", "schutzwürdige Interessen" und "Verhältnismäßigkeit".

In der Arbeitsgruppe sollen vorhandene Möglichkeiten der Kommunikationsüberwachung diskutiert und rechtliche Lösungsansätze, insbesondere im Hinblick auf die geplanten Änderungen durch den Regierungsentwurf, herausgearbeitet werden.

Publikationen dazu

Cover der FIfF-Kommunikation 2/2011

FIfF-Kommunikation 2/2011

Transparenz – Arbeit – Kontrolle Transparenz – Arbeit – Kontrolle

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Eine Plastikfigur, die einem Menschen ähnelt, sitzt in einem dunklen Raum auf einem Tisch vor einem Laptop. Lange Schatten verbreiten eine düstere Stimmung.

Arbeit

Die Auswirkung von Informationstechnik auf Arbeit ist einer der Themenschwerpunkte des FIfF, der mit weiteren FIfF-Themen und -Forderungen in enger Verbindung steht. Die Auswirkung von Informationstechnik auf Arbeit ist einer der Themenschwerpunkte des FIfF, der mit weiteren FIfF-Themen und -Forderungen in enger Verbindung steht.

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